APA-OTS
Die Lage für Wiens Kleinparteien war noch nie einfach, aber in diesem Jahr ist unübersehbar, dass die etablierten Parteien nichts von sportlicher Fairness halten.
Das österr. Parteiengesetz benachteiligt Kleinparteien grundsätzlich und schwer. Das ist soweit auch nichts neues. Seit Jahrzehnten kämpfen wir mal gegen die 4–%, mal gegen die 5–%–Hürde, und dass 2017 sogar die Grünen, eine über 30 Jahre dienende Partei, deshalb die Tür gewiesen bekamen, sagt wohl viel über die Härte dieser Regelung aus, insbesondere wenn man bedenkt, dass sie ja nur die letzte der vielen Hürden ist, die auf dem Weg in Österreichs Parlamente und Räte zu nehmen sind.
„Will man in Österreich zu Wahlen antreten, hat man einen monatelangen Spießrutenlauf zu absolvieren, der den Kleinparteien viel Zeit und Geld abverlangt, und das noch bevor der eigentliche Wahlkampf beginnt.“ so Niko Tanew, Landesvorstand der Piratenpartei Wien. Denn es reicht nicht, den Antritt nur bekannt zu geben, nein, es braucht dafür eine Unzahl an sog. Unterstützungserklärungen, die -besonders unfair- noch zu regulären Geschäftszeiten der Magistrate und Ämter und am jeweiligen Hauptwohnsitz der Unterschreibenden zu sammeln sind. „Das heißt, sie brauchen Geld, jede Menge Tagesfreizeit und müssen die Menschen noch persönlich dazu überreden, sich vor ihrem jeweiligen Gemeindebediensteten als UnterstützerIn ihrer Partei zu outen. Etablierten Parteien reichen ein paar Unterschriften, eine Sache von Minuten, um sich diese Schikane gänzlich zu ersparen. Das hält politisch engagierte Menschen in voller Absicht von unserer Demokratie fern. Demokratiepolitische Steinzeit.“ so Tanew weiter.
„Besonders unverschämt an dieser Regelung ist, dass es in Österreich mit der Bürgerkarte und der Handysignatur bereits eine technische und gesetzliche Infrastruktur gibt, mit der man die Beteiligung deutlich vereinfachen und damit erhöhen könnte. Für diese Änderung sind auch alle Nationalratsparteien, wie die Futurezone 2019 berichtete [1], einzig umgesetzt wird es nicht. Woran das wohl liegt?“ fragt Roland Schneider, Landesvorstand Wien. „Es ist halt doch ein sehr bequemer Weg, sich politische Mitbewerber vom Hals zu halten. Da muss dann eben die Demokratie den Parteiinteressen hintanstehen.“ legt Schneider nach.
Dieses Jahr ist die Situation noch einmal besonders unfair, dank Corona.
Während man am Wahltermin 11. Oktober unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen festhält [2], hat man keine Probleme damit, die Kleinparteien und ihre Helfer mitten im Sommer unter die Leute zu schicken, um sie dort die nötigen Unterstützungserklärungen sammeln zu lassen. „Das bedeutet eine unnötige Gefährdung der Mitarbeiter*innen der Bezirksämter und der Unterstützenden durch den eigentlich überflüssigen persönlichen Kontakt. Das führt wieder dazu, dass kleinere Bewegungen keine Chance haben, sich überhaupt der Wahl zu stellen.“ konstatiert Balázs Bárány, Landesvorstand Wien.
„Wir haben als Partei vollstes Verständnis dafür, dass Michael Ludwig sein Recht als Bürgermeister ausreizt, um seine in den Umfragen seit Jahren fallende Partei möglichst früh über diese Wahl zu retten. Dass man dafür aber selbst in Zeiten von Corona keine Ausnahmeregelung finden kann und dadurch die Gesundheit der Wiener und Wienerinnen unnötig gefährdet, dafür haben wir kein Verständnis. Da tröstet auch der 25€ Kracherl-Gutschein nicht darüber hinweg.“ zeigt sich Roland Schneider verärgert.
„Kleinparteien, die nicht gerade Millionen von den Haselsteiners dieser Welt geschenkt bekommen, haben so viel mehr zu leisten als eingesessene Altparteien. Und das ringen sich diese auch immer wieder ab, aber wollen wir nicht vergessen: Danach beginnt der Wahlkampf erst! Dafür bekommen die Parteien dann Millionen vom Steuerzahler spendiert, wir hingegen bekommen die Gewissheit, dass wir zumindest theoretisch an diesem Spiel teilnehmen dürfen. Mit fairem Wettbewerb hat das nichts zu tun.“ so Schneider weiter.
Piraten treten in den Bezirken an
„Daher hat der Landesvorstand der Piratenpartei Wien beschlossen, bei der Wien-Wahl 2020 nur in den Bezirken anzutreten und lädt Interessierte, SymphatisantInnen und mögliche KandidatInnen zur Landesgeneralversammlung am 1. August ein. Dort werden wir sehen, in wie vielen Bezirken ein Antritt trotz mangelndem Demokratieverständnisses gelingen kann.“ erklärt Niko Tanew, Kandidat im 2. Wiener Gemeindebezirk.
Auf der Piratenagenda stehen dabei allem voran die Erhöhung der Transparenz in der politischen Bezirksarbeit, etwa in Form von Live-Übertragungen und Online-Diskussionen, denn „Bezirkspolitik darf keine Insidersache sein, deren Berichterstattung sich auf salbungsvolle Worte in den Bezirkszeitungen beschränkt. Auch von unserer Arbeit in Ausschüssen und Kommissionen werden wir ausführlich berichten.“ verspricht Tanew.
Ebenso wichtig ist den Piraten der Kampf gegen den Überwachungsstaat. Dazu ergänzt Tanew: „Eine Auseinandersetzung, die auf allen Ebenen geführt werden muss. Die Piratenpartei wird sich stets Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten mit aller legalen Vehemenz entgegenstellen.“Abschließend greift Roland Schneider noch zu einer Metapher:
„Es wird bestimmt ein dreckiger, aber auch sehr lustiger Wahlkampf. Von dem THC mit Strache an der Sp(r)itze, D. Nepp in der Abwehr im Gegenteam und solchen völlig entbehrlichen Knallchargen wie der Partei DIE PARTEI irgendwo im Abseits erwarten wir uns so einige Fouls und peinliche Momente. Demokratie sollte eigentlich kein Zirkus sein, aber da liegt der Anpfiff von Bürgermeister Ludwig wohl schon zu nah.
“Quellen:[1] https://futurezone.at/netzpolitik/wahlen-warum-man-unterstuetzungserklaerungen-nur-analog-abgeben-kann/400549862[2] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/wien/2065612-Corona-Wahl.html